Die bürgernahen Kommunisten

Österreichs KP ist weitgehend bedeutungslos - nur nicht in Graz. Warum eigentlich?

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bezirksräte des Bündnisses »Wien andas« kämpfen gegen eine geplante Gebührenerhöhung für Wasser, Abwasser und Müll. Diese, erklärt Josef Iraschko, Bezirksrat in der Leopoldstadt, setze BezieherInnen kleinerer Einkommen noch weiter unter Druck. In Graz organisiert derweil die KPÖ Proteste gegen eine vom Land Steiermark beschlossene Kürzung der Wohnunterstützung. Zwei ähnliche sozialpolitische Kampagnen - mit einem gravierenden Unterschied: Das Hauptstadtbündnis aus KPÖ, Piraten, einem Verein »Echt Grün«, »Unabhängigen« und »Jungen Linken« ist eine Randerscheinung, die zuletzt gerade ein Prozent der 1,8 Millionen WienerInnen erreichte; das Bündnis ist nicht im Gemeinderat vertreten, sondern agiert auf der wenig einflussreichen Bezirksebene. In Graz dagegen steht die KPÖ allein - und ist eine lokale Macht. Bei den Gemeinderatswahlen 2012 fuhr sie 20 Prozent der Stimmen ein.

Die Kommunistische Partei gibt es in Österreich seit 1918; nach 1945 zählte sie mit der SPÖ und der ÖVP zu den drei Gründungsparteien der Zweiten Republik und zog mit 5,4 Prozent in den Nationalrat ein. 70 Jahre später aber verharrt sie nicht nur in Wien, sondern auch bundesweit bei etwa einem Prozent. Schon die zuletzt 2,4 Prozentpunkte in der Stahlstadt Linz sind da ein Lichtblick. Um so auffallender ist die Situation in Österreichs mit 280 000 Köpfen zweitgrößter Stadt Graz, wo die KommunistInnen derzeit die zweitstärkste Kraft sind.

Wie kommt es zu dieser Diskrepanz? An speziellen Lokaltraditionen liegt es eher nicht. Graz hat nämlich mitnichten das Image einer linken Stadt; weder historisch, noch von seiner wirtschaftlichen Struktur her gilt die Metropole an der Mur als Arbeiterhochburg. Ganz anders als Wien oder Linz - drittgrößte Stadt der Republik - hat Graz auch keine eindrückliche antifaschistische Vergangenheit. Im Gegenteil: Nach dem »Anschluss« der Ersten Republik an das Hitlerreich erhielt die Stadt im Juli 1938 von den Nazis den peinlichen Ehrentitel »Stadt der Volkserhebung«, der sich auf den - gescheiterten - NS-Putsch gegen den austrofaschistischen Kanzler Engelbert Dollfuß vier Jahre zuvor bezog. Wien hingegen wurde von Hitler zutiefst gehasst: Sein »Völkergemisch von Tschechen, Polen, Ungarn, Ruthenen, Serben und Kroaten« schimpfte er eine »Verkörperung der Blutschande«. Die historische Ausgangsposition für KommunistInnen in Graz war also alles andere als günstig.

Der Erfolg der steirischen KP ist eng mit einem Namen verknüpft. Aus der Position eines einfachen Gemeinderates heraus führte Ernest Kaltenegger die KPÖ-Graz im Jahr 2003 zu einem sensationellen Wahlsieg: 20,7 Prozent der WählerInnen gaben der KPÖ die Stimme. Zwei Jahre später gelang es Kaltenegger, mit über sechs Prozent auch im steirischen Landesparlament Fuß zu fassen. Seither ist die KPÖ-Steiermark auch im Landtag vertreten. Und Kalteneggers Nachfolgerin Elke Kahr schaffte es, diesen Erfolgskurs fortzusetzen. Mehr noch: Im Juni 2016 wählte der Grazer Gemeinderat Kahr zur Vizebürgermeisterin. Grundlage dieses steirischen Siegeslaufes sei eine Schwerpunktsetzung auf konkrete Kommunalpolitik, sagt Kahr gegenüber »nd«: »Uns ist es auf kommunaler Ebene gelungen, die Partei von unten her aufzubauen. Heute sind wir die Wohnungspartei in Graz.« Tatsächlich gilt zum Beispiel der Mieternotruf der KP-Graz als Anlaufstelle für jedermann. Gleich, welche Partei man bevorzugt. In der Umsetzung einer kommunistischen Politik, erläutert Kahr, darf man »den ideologischen Kompass nicht verlieren«, muss aber auch »einen Gebrauchswert für Leute schaffen.«

Eine Erklärung für den Erfolg der Grazer KP liegt auch in der politischen Kontinuität. Anders als etwa in Wien konnten sich die Grazer KommunistInnen seit 1945 im Gemeinderat halten, während in der Hauptstadt seit Jahrzehnten kein Comeback gelingt. Diese, wenn auch oft nur minimale, Verankerung war wichtig, um die kommunale Kompetenz nicht zu verlieren.

Kahr wurde 1961 in einem Grazer Arbeiterviertel geboren, machte an einer Abendschule die Matura (Abitur) und war lange in der Grazer Bezirksleitung der KPÖ beschäftigt. Das klare Bekenntnis zur kommunistischen Bewegung, das sie im Gespräch abgibt, überrascht daher nur auf den ersten Blick. »Wir glauben daran«, sagt Kahr, »KPÖ ist ein guter Name. Wir halten nichts von wahlpolitischen Experimenten wie linken Plattformen und Namensänderungen.« Damit spielt die Grazer Vizebürgermeisterin auf die Bündnisstrategie ihrer Wiener GenossInnen an.

Dort und auch in der Bundes-KPÖ, sieht man freilich das ganz anders. »Die Widersprüche der österreichischen Linken werden nicht innerhalb der KPÖ gelöst werden«, meint Walter Baier, langjähriger KP-Chef und Koordinator der linken europäischen Bildungsplattform »Transform«. »Österreich braucht eine breite, pluralistische Linkspartei«, sagt Baier zu »nd«. An den Urnen sind derlei Versuche aber bisher gescheitert.

Ein gewichtiger Unterschied zwischen den Grazer und den Wiener KommunistInnen soll nicht verschwiegen werden; es ist die Position zur Europäischen Union. Während die Grazer klipp und klar kommunizieren, dass sie gegen die EU sind und Brüssel als Verursacherin der Austeritätspolitik und der um sich greifenden Kriege begreifen, druckst die Bundes-KPÖ in dieser Frage herum. Ihrer oft nur auf Nachfrage geäußerten Kritik an der Europäischen Union stellt sie die angebliche Alternativlosigkeit des Rahmens EU gegenüber, in dem Politik nun einmal gemacht werden müsse. In Graz heißt es zu diesem Thema dagegen: »Wir plakatieren den EU-Austritt nicht, aber er muss eine Option sein.« Die in Österreich weitverbreitete EU-Skepsis findet sich in dieser Position zumindest wieder.

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